Bayernliga: TV Helmbrechts – TSV Unterhaching 30:29 (16:14)

Mancher Fan wird es Märchen oder Wunder nennen. Der um Distanz oder Neutralität bemühte Betrachter sagt: Die kaum erwartete Geschichte geht weiter: Bayernliga-Aufsteiger TV Helmbrechts feierte gestern den vierten Heimsieg in Folge und mischt wider aller Experten Meinung im Oberhaus weiter munter mit. Plötzlich steht der TVH auf Rang sechs, aber nur zwei Pluspunkte vor dem Letzten!

„Aus, Aus, Aus, das Spiel ist aus!“ Hallensprecher Gotti Aust nahm Anleihe beim legendären Fußball-Reporter Herbert Zimmermann, ehe er sich jubelnd auf Sohnemann Niki stürzte. Der schien sich die Motivation von einem Vorbild jüngeren Datums übernommen zu haben. „Weiter, weiter, immer weiter“ hat Oliver Kahn seinen Münchner Bayern eingehämmert. Und dieses Prinzip setzte 60 Minuten lang einmal mehr der TVH und 18 Sekunden vor Schluss Niki Aust um. Als in den letzten Minuten viele taktischen Zwänge gefallen und die Gäste dezimiert waren, da fasste sich der Motor des TVH-Teams das in dieser Situation nötige Herz, suchte und fand den direkten Weg durch die Abwehrmitte der Gäste.

Sein Treffer bedeutete nicht nur den Endstand, sondern die erste Helmbrechtser Führung nach der 44. Minute (22:21). Nach dieser aber schien sich zu bestätigen, was sich bereits nach der Halbzeit (16:14 für den TVH) angedeutet hatte: Unterhaching bekam, gestützt auf einen überragenden Schlussmann Schulze zusehends Oberwasser. Als er nach 53 Minuten den zweiten Strafwurf parierte und im Gegenzug Timo Hofmann einen Strafwurf zum 24:27 passieren lassen musste, da schien‘s um den TVH geschehen.

Nun aber kamen neue Faktoren ins Spiel: Christian Peetz etwa, der in bester Joker-Manier zum 25:27 und 27:27 (58.) einwarf. Dazwischen hatte zunächst Hofmann einen freien Wurf, dann Gegenüber Schulze noch einen Siebenmeter pariert. Und, vielleicht mitentscheidend: Nun stellte das höchst wankelmütige Schiedsrichtergespann, deren weiblicher Teil es zuvor mit dem TVH nicht gut gemeint hatte, innerhalb einer Minute zwei Hachinger vom Feld, Mair gleich mit rot, den Ex-Bayreuther Abel nach der dritten Zeitstrafe. Letztere war das Ergebnis seines massiven Beharkens von Torjäger Lukas Klaus. Kaum war Abel weg, da glich der Tscheche nach abermaliger Gästeführung mit seinem 13. und letzten Tor zum 28:28 aus.

Gut zwei Minuten waren noch zu spielen. Noch einmal brachte der gefährliche Rechtsaußen Zagar die Gäste in Front in einem Spiel, das im Jargon von Kriegsberichterstattern nun bereits als „offene Feldschlacht“ bezeichnet worden wäre. 80 Sekunden vor Schluss machte Thomas Blab manchen Fehlwurf von zuvor doppelt gut, und dann kam der unwiderstehliche Auftritt von Aust zum 30:29.

Die Helmbrechtser Moral einmal mehr zu rühmen, hieße Bälle ins Handballtor zu tragen. Gleichwohl ist das Lob angezeigt, steckte die Mannschaft gestern doch auch noch den Verlust der Achse Klaus – Jicha kurz vor der Pause weg. Die Dame in Schwarz glaubte der zweiten, fragwürdigen Zeitstrafe wegen Fouls gleich noch die dritte, eine wegen Meckerns, anfügen zu müssen. „Die pfeifen wohl heute ihr erstes Oberligaspiel“, vermutete der des Feldes verwiesene Gästespieler Mair schmunzelnd und fand Jichas Zustimmung. In der Endphase haderten freilich die Hachinger mit dem ungleichen Duo.

Für die Niederlage müssen sie freilich noch andere Gründe bemühen. Etwa, kein Mittel gegen Lukas Klaus gefunden zu haben, der, vorbildlich eingesetzt, auch mal von links und vom Kreis mit fast traumhafter Quote traf. Oder vor der Pause aus acht Glanzparaden ihres Schlussmannes nicht mehr Profit geschlagen zu haben.

Auch von den Paraden ließen sich die Helmbrechtser nicht entnerven, zumal auch Hofmann gut und Uzun seinen obligatorischen Siebenmeter hielt. Schöpf glänzte vier Mal von links, Blab verwandelte sicher vom Siebenmeterpunkt – sie und all die anderen verbindet freilich eines: eine nie zu brechende Moral und ein unbändiger Siegeswille. Diese freilich stehen bei drei nun folgenden Auswärtspartien auf einem harten Prüfstand.

TV Helmbrechts: Hofmann, ab 42. Min. Uzun, ab 50. Min Hofmann – B. Aust, D. Aust (3), Blab (5/4), Gwosdz, Jicha (1), Klaus (13/1), Schenk (1), Schöpf (4), Peetz (2), Polzer (1). Zuschauer: 450. – Schiedsrichter: Perneth/Wölfel (Eibach). – Zeitstrafen: Helmbrechts 7, Unterhaching 9. – Rote Karten: Jicha (30./3x2) – Mair (54., grobes Foul), Abel (55., 3x2).

WOLFGANG NEIDHARDT

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